Interview der Saale-Zeitung mit dem Vors. der SG-BK Ewald Kiesel. Okt. 2007

 

Saale-Zeitung: Herr Kiesel, Sie sind der Vorsitzende der Sängergruppe des Landkreises Bad Kissingen.

Aus wie vielen Vereine besteht  die  Sängergruppe?

 

Die Sängergruppe Bad Kissingen besteht z.Z. aus 47 Gesangvereinen mit rund 77  Chorformationen. Davon sind 31 gemischte-, 21 Männer-, 7 Frauen-, 7 Kinder und Jugendchören, sowie Theater- Musik- und Tanzgruppen. Die Sängergruppe umfasst in etwa das Gebiet des Großlandkreises Bad Kissingen, ist dem Sängerkreis Schweinfurt, dem Fränkischen Sängerbund und dem Deutschen Chorverband, als Dachverband untergeordnet.

 

Welche Aufgaben hat die Sängergruppe?

 

Den 47 Chorvereinen beratend zur Seite zu stehen, soweit das gewünscht wird. Informationen an die Chorvereine weiter zu leiten. Sänger- und Chorleiterschulungen durchzuführen, um die Qualität der Chöre weiter zu verbessern.  So wird in jedem Jahr ein Gruppenchorkonzert in der Bad Kissinger Wandelhalle organisiert an dem 4-5 Chöre abwechselnden teilnehmen. Hierbei wird ein Querschnitt der jährlichen, chorischen Arbeit einer größeren  Öffentlichkeit vorgestellt. Weiter werden Kinderchorkonzerte auf Landkreisebene veranstaltet, bei denen die jungen Sänger/Innen ihre Erfolgserlebnisse erfahren.

 

Gesangvereine haben im allgemeinen Nachwuchssorgen , Was tun Sie dagegen?

 

Vereine haben im allgemeinen Nachwuchssorgen. Es sind die unbestreitbaren soziologischen Veränderungen, die auf dieser globalisierten Welt einwirken. Und wir sind ein Teil dieser Welt. Individualismus greift immer mehr um sich und Werte wie Verantwortungsgefühl, Solidarität und Gemeinschaftssinn gehen immer mehr verloren. Nur die eigene Karriere ist den meisten wichtig. Außerdem lehnt eine Mehrheit junger Menschen das musikalische Erbe ihrer Vorfahren rundweg ab. Bei den christlichen Kirchen und anderen Organisationen ist der selbe Trend zu beobachten.

 

Wo liegen die Ursachen all dieser Erscheinungen?

 

Heute sind die Kinder verstummt. Singen in der Familie, im Kindergärten, der Schule ist out. Denn im Zeitalter multimedialer Schallquellen, lässt man es tun. Der Mensch wird zur Passivität verurteilt, das Kind um seine Zeit gebracht. Aggressivität, Verhaltensstörungen, mangelndes soziales Verhalten und typische Krankheiten sind die Folgen. Bezüglich der Alltagskultur des Singens ist Deutschland ein armes Land geworden. Die Amerikanisierung greift immer mehr um sich.

 

Was tut Ihr Verband dagegen?

 

Die Förderung musikalischer Entwicklung muss im Kindesalter anfangen. Deshalb hat der Deutsche Chorverband bereits vor einigen Jahren die Initiative „FELIX“ gestartet. Hiermit werden Kindergärten ausgezeichnet,  die kindgerechtes Singen praktizieren, weil Eltern mit ihren Kindern nicht mehr singen. Die Sängerkreise und der Fränkische Sängerbund bieten laufend Fordbildungskurse für Sängerinnen/Sänger sowie für Chorleiter/Innen an. Es ist zu beobachten, dass Chorleiter/Innen die sich an solchen Kursen regelmäßig beteiligen mehr Qualität bieten, denn die Chorleitung  ist das Herzstück eines Chores. Der Deutsche Musikrat hat außerdem bundesweit eine Kampagne für mehr Musikunterricht in den Schulen gestartet. Dies wäre jetzt im Rahmen der Einführung der Ganztagsschule möglich. Eine Umkehr im politischen Denken und Handeln der Parlamente ist noch nicht absehbar. Während die komplette Vernetzung der Schulen in ungehinderter Rasanz  vorangeschritten ist, werden zum Teil noch Unterrichtsfächer zusammen gestrichen und längst nicht mehr auf Kosten des Musikunterrichtes. Der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily stellte einmal in einer Bundestagsdebatte zum Rechtsextremismus fest: „Wer Musikschulen schließt, schadet der inneren Sicherheit“ und „Ich bin ja sehr dafür, dass jedes Kind Zugang zum Computer hat, aber es wäre auch gut, wenn jedes Kind Zugang zu einem Musikinstrument hätte.“ Der unmittelbarste Zugang zum ursprünglichsten und schönsten aller Instrumente ist die menschliche Stimme. Dass singende und musizierende Kinder intelligenter und ausgeglichener sind wurde in mehrfachen Studien nachgewiesen.

 

Wie kann man die Jugendlichen zum singen  motivieren?

 

Früher war es in jungen Jahren einfach unmöglich, einem Gesangverein nicht anzugehören. Das ist heute nicht mehr so. Hier fehlen die Wurzeln von Elternhaus und Schule. Nur die Hinführung zum Gesang, die Freude am Mitarbeiten an einem guten Chorwerk, mit einem erfahrenen Chorleiter, dann das Erfolgserlebnis bei entsprechenden Auftritten, ist das, was Jugendliche bewegt, sie zu den Vereinen führt wo sie dann auch dabei bleiben und Spaß haben.

 

Woran liegt es, dass sich immer mehr Männerchöre in Gemischte Chöre umwandeln?

 

Weil Männer die älter werden schwerer mit jungen Sängern zu ersetzen sind. Frauen sind leichter für den Chorgesang zu gewinnen. Es gibt in unserer Sängergruppe sehr gute gemischte-  Frauen- und Männerchöre.

  

Männerchöre werden immer weniger. Das ist auch in unserem Landkreis festzustellen. Kürzlich hat auch Rannungen und Haard seine Männer-Chortätigkeit  eingestellt. Wie können Sie diesem Trend entgegen wirken?

 

Diese Entwicklung schmerzt sehr. Deshalb hat die Vorstandschaft der Sängergruppe in diesem Jahr einen Männer-Projektchor mit dem professionellen Chorleiter, Hermann Freibott angeregt an dem sich mittlerweile 48 Sänger im Alter von 32 bis 84 Jahren beteiligen. Die Sänger kommen bisher aus 15 verschiedenen Orten und Chören unseres Landkreises. Die ersten beiden Auftritte, bei der Kulturehrenbriefverleihung in Hammelburg, am 3. Oktober und beim Gruppenchorkonzert, am 14. Oktober in der Bad Kissinger Wandelhalle war ein voller Erfolg. Das Ziel dieses Männer-Projektchores ist, erstens Männer wieder für den Chorgesang zu begeistern und weiter die in Jahrhunderte gewachsene, hervorragende Chorliteratur alter Meister zu pflegen, damit diese Chorwerke nicht verloren gehen, durch Qualität zu überzeugen und junge Männer zu motivieren in ihren Heimatchören mitzusingen.

 

Werben Sie nicht mit diesem Männer-Projektchor den Heimatchören die besten Sänger ab?

 

Nein ! Das Gegenteil ist der Fall. Dass durch diese Initiative kein Sänger von seinem Verein abgeworben wird, habe ich den Vereinen bereits bei der Vorstellung dieses Projektes schriftlich mitgeteilt. Es sind die interessiertesten Sänger die dabei mitwirken. Sie haben erkannt, dass dieses Männerchor-Projekt eine vorbildliche Ergänzung des chorischen Angebotes ist und nicht eine Konkurrenz für die bestehenden Chorvereine.

 

Warum ist bei manchen Liederabenden, außer den Chören so wenig Publikum anwesend?

 

Es kann nicht sein, dass sich die Chöre bei Liederabenden und Freundschaftssingen oft nur gegenseitig ansingen. Nach dem Motto: „Singst du bei mir, sing ich bei Dir“. Hier muss vom jeweiligen Veranstalter mehr gezielte Werbung stattfinden. Es gilt sich wieder ein Publikum zu schaffen das gerne in die Konzerte geht und interessiert zuhört. Dazu gehört natürlich die entsprechende Chorliteratur und die Qualität der Chorvorträge. Der Chor muss gezielt vom Inhalt und der Ausrichtung her eine qualifiziere Präsentation eines Konzertes bieten. Der Zuhörer muss zufrieden und begeistert sein mit dem was ihm geboten wird und sich auf das nächste Chorkonzert freuen können.

 

In welchen Abständen finden  die Proben des Männer-Projektchores statt?

 

Die erste Chorprobe des Männer-Projektchores fand am 17. März im Chorproberaum der Bad Kissinger Sängervereinigung in Winkels statt. Hermann Freibott wirkt dort als Chorleiter. Die Idee und Initiative für einen Männerchor ging zunächst von Herrn Freibott und vom Vorstand der Sängervereinigung aus. Um das Projekt auf breitere Füße zu stellen wurde das Vorhaben an die Sängergruppe herangetragen, die Organisation übernahm, den Vereinen das Vorhaben mitteilte und um Unterstützung bat. 30 interessierte Sänger nahmen, zu unserer Überraschung, an der ersten Probe teil. Ein Zeichen, dass Interesse und Bedarf bestand. Mittlerweile finden die Chorproben im Gasthaus Krone in Garitz statt, da bessere Parkmöglichkeiten und ein großer Probenraum vorhanden sind. Es haben bisher drei offizielle Chorproben und weitere zwei, jeweils vor den Auftritten sattgefunden. In der Regel wird an Samstagen, von 14 bis 17 Uhr geprobt. Sie finden 4-5 mal im Jahr statt, bezw.  je nach Absprache und Auftritt-Termine.

 

Wie können Sie sich diesen Erfolg und Zuspruch erklären?

 

Die meisten Verein haben sich in den letzten Jahrzehnten vom reinen Männerchor auf gemischten Chor umgestellt. Ich denke Männer wollten wieder einmal in einem reinen Männerchor mitsingen. Außerdem sind Chorsänger/Innen leichter für einen Projektchor zu gewinnen, da die Chorproben sporadisch  und projektbezogen stattfinden. Die  allwöchentliche Verpflichtung fällt hierbei weg. Ich denke, dass langfristig der Trend in diese Richtung  geht. Der Nachteil ist allerdings, dass das Wir-Gefühl und der Gemeinschaftssinn darunter leiden könnten. Denn unsere Aktivität hat auch einen sozialen Aspekt.

 

Wie finanzieren Sie diesen Männer-Projektchor? Hat die Sängergruppe eigene Finanzmittel?

 

Nein! Die einzigen Einnahmen sind das Eintrittsgeld beim alljährlichen Gruppenchorkonzert in der Wandelhalle, das wir – nach Abzug aller Unkosten – mit der Staatsbad GmbH teilen. Wir sind auf Sponsoren angewiesen. Der Männer-Projektchor auf Landkreisebene konnte nur durch die Starthilfe des Kulturausschusses des Kreistages ins Leben gerufen werden für den Landrat Thomas Bold die Patenschaft übernahm.

 

Wie geht es mit diesem Männer-Projektchor weiter?

 

Die nächste Chorprobe findet, am Samstag, 9. Februar von 14 bis 17 Uhr im Gasthaus Krone in Garitz statt. Hierbei sind weitere interessierte Sänger jeden Alters willkommen.

Der nächste Auftritttermin ist Sonntag, 1. Juni, beim Konzert des Sängerkreises Schweinfurt auf dem Passionsspielgelände in Sömmersdorf, wo der Männer-Projektchor den Landkreis Bad Kissingen vertreten wird. Angedacht sind weitere Auftritte bei besonderen Empfängen des Landkreises und die Veranstaltung von Chorkonzerten in den größeren Städten unseres Landkreises.

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